Wer
die einhundertjährige und stetige Entwicklung der Mitbestimmung
in Unternehmen und Betrieben verfolgt, wird die Erkenntnis
gewinnen, dass schon allein die Existenz eines Betriebsrates,
die Maßnahmen und Aktivitäten zur innerbetrieblichen
Weiterbildung vorantreibt.
Wenn sich in der Vergangenheit die traditionellen Betriebsratsthemen
auf den Feldern der Arbeitsbedingungen und der Einkommens-
und Arbeitsplatzsicherheit bewegten, dann haben sich in jüngster
Zeit neue Themen wie Integration von Ausländern und Migranten
respektive die Inklusion von Schwerbehinderten (Infos dazu
gibt es hier),
sowie der Datenschutz am Arbeitsplatz, dazugesellt. Oberflächlich
betrachtet werden diese zeitgemäßen und wichtigen
Themen betrieblicher Weiterbildung von den Arbeitgebern und
den Betriebsräten gleichermaßen wenig kontrovers
gesehen. Wenn es aber um die Definierung der Ziele geht, denken
beide Betriebsparteien nicht immer kongruent. Für die
Geschäftsleitungen hat die Wettbewerbsfähigkeit
ihrer Unternehmen oberste Priorität. Das Wort ’Weiterbildung’
hat für sie fast ausschließlich den Charakter,
fachliche Qualifikationen für ihren eigenen Vorteil zu
nutzen. Die Arbeitnehmerseite hingegen verbindet Weiterbildung
mit Solidität und Einkommenssicherheit inklusive der
Perspektive einer beruflichen Weiterentwicklung. Leider bergen
lohnende Investitionsentscheidungen zur Weiterbildung auch
Gefahren. Nämlich die, dass nur bestimmte Belegschaftsgruppen
von einer Weiterbildung profitieren. Während zum Beispiel
Teilzeitbeschäftigte, gering Qualifizierte oder ältere
Mitarbeiter von einem Weiterbildungsangebot unberücksichtigt
bleiben. Spätestens an diesem Punkt werden Betriebsräte
und Unternehmensleitungen ihre unterschiedlichen Sichtweisen
nicht mehr leugnen können.
Das Betriebsverfassungsgesetz mahnt zur Gemeinsamkeit
Leider sind im Gegensatz zur Berufsausbildung nur wenige
Teilbereiche der beruflichen Weiterbildung gesetzlich verbrieft.
Da das Angebot betrieblicher Weiterbildung letztlich nur vom
Arbeitgeber ausgehen kann mischt sich das Betriebsverfassungsgesetz
(BetrVG) dennoch ein - man möchte fast sagen: durch die
gesetzliche Hintertür - und verpflichtet beide Betriebsparteien
einen gemeinsamen Weg zu beschreiten. Die Konsensanmahnung
des Gesetzgebers zielt explizit auf die Belange von Teilzeitbeschäftigten,
älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sowie Berufstätige
mit Familie. Das weite Feld betrieblicher Weiterbildung wird
durch immer mehr hinzukommende Bereiche erweitert. Neuerliche
Qualifizierungsmaßnahmen berühren die Segmente
Anwendersoftware, E-Learning, Qualitätszirkel bis hin
zu Coaching-Angebote für Führungskompetenz in überregionalen
Unternehmen, wie unter anderen folgender
Artikel zeigt. Bietet der Arbeitgeber eine betriebliche
Weiterbildung an, sitzt der Betriebsrat automatisch mit am
Tisch und bestimmt mit über Methodik und Inhalt. Das
betrifft auch die Fragen von Prüfungsverfahren und Leistungskontrolle.
In diesem Stadium hat der Betriebsrat die Möglichkeit
auch präventiv tätig zu werden, um zum Beispiel
den betrieblichen Weiterbildungsbedarf von der Geschäftsleitung
ermitteln zu lassen und um danach diesbezüglich konsensorientierte
Gespräche mit dem Arbeitgeber führen zu können.
Die Ausstaffierung gestalterischer Beteiligungsrechte von
Betriebsräten werden aber immer noch zu wenig genutzt.
Zum Teil auch deswegen, weil andere wichtige Themen dringender
eine Zuwendung bedürfen. Wie Sozialpläne zum Personalabbau
oder
Arbeitsplatzsicherheit und Gesundheitsschutz. Zum Themenkreis
erschwerter Betriebsratsinitiativen zur betrieblichen Weiterbildung
zählen auch so wesentliche Punkte wie Unwissenheit und
fehlende Zuständigkeit. Aber auch besondere Arbeitssituationen
wie Arbeitsdruck und Schichtarbeit erschweren die Eigeninitiative
mancher Betriebsräte merklich. Mut machen dagegen Beispiele,
die durch Inanspruchnahme externer Beratungsnetzwerke gemeinsam
mit der Geschäftsleitung Programme zur Weiterbildungsförderung
erarbeiten. Schlecht wäre es aber auch, wenn ein vordergründig
konfliktfreies Handlungsfeld eigene Aktivitäten des Betriebsratsmanagements
in Sachen innerbetriebliche Weiterbildung lähme.
Erklärungen zum Verständnis betrieblicher Mitbestimmung
Es steht außer Frage, dass Betriebe, in denen ein gewählter
Betriebsrat installiert wurde, nachweislich weiterbildungsaktiver
sind. Unabhängig vom Engagement der Interessenvertretung.
Unternehmen, in denen sich Beschäftigte über einen
Betriebsrat bemerkbar machen können, schaffen, ob gewollt,
oder ungewollt, eine latente Arbeitszufriedenheit mit der
Folge, dass die Mitarbeiter motivierter und produktiver ihre
Arbeit gestalten und somit die Personalfluktuation spürbar
abnimmt. Stichwort ’Betriebsbindung’. Je mehr
sich Fachkräfte mit dem Unternehmen identifizieren, umso
größer ist die Chance, dass der Arbeitgeber in
die Weiterbildung seiner Mitarbeiter investiert. Im Umkehrschluss
heißt das: Ein berechenbares und stabiles Beschäftigungsverhältnis
gibt dem Mitarbeiter mehr Anreiz zur Teilnahme an betrieblichen
Weiterbildungsprogrammen. Wenn diese Sichtweise stimmt, kann
auch ohne unmittelbare Initiative und Beteiligung eines Betriebsrates
eine betriebliche Weiterbildung implantiert werden. Die Arbeit
des Betriebsrates könnte sich dann auf traditionelle
Mitbestimmungsfelder, sowie auf sozialpolitische innerbetriebliche
Entscheidungen fokussieren. Es wäre blauäugig zu
glauben, das sei die Realität. Obwohl in den letzten
zehn Jahren die Themen Personalentwicklung und betriebliche
Weiterbildung mehr und mehr auf tariflicher Ebene geregelt
sind, ist es Aufgabe des Betriebsrates diese Regelungen vor
Ort mit Leben zu erfüllen und auszugestalten. Das geht
nur in enger Kooperation mit der Unternehmensleitung. In großen
Betrieben sind es die Verantwortlichen für Bildung. Weil
diese aber nicht selten mit Einschränkungen ihrer Geschäftsleitung
belegt sind, obliegt es einem klugen Betriebrat, inwieweit
er eine Initiative zu einer Bündniskonstellation vorantreibt.
Das Interesse des Arbeitgebers, seinen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern eine Fortbildung zu gewähren, hängt
auch von der konsensbereiten, aber auch taktisch klugen Vorgehensweise
des Betriebsrates ab. Dass Stärke nur miteinander zu
erreichen ist, wird gerade dann deutlich, wenn zwei Parteien
am selben Strick ziehen müssen. Aber dann bitte in die
gleiche Richtung!
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