Einordnung des Praktikantenverhältnisses
Vom "normalen" Arbeitsverhältnis unterscheidet
sich ein Praktikantenverhältnis dadurch, dass es dem Erwerb
beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen dient,
wohingegen im Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer seine
Arbeitskraft gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Die Übergänge
sind allerdings fließend. Letztendlich kommt es auf die
konkret ausgeübte Tätigkeit an und nicht auf die
Bezeichnung, die die Vertragsparteien wählen. Wird ein
Praktikantenvertrag abgeschlossen, obwohl die Tätigkeit
der eines Arbeitnehmers entspricht, geht die Rechtssprechung
von einem Arbeitsverhältnis mit allen damit verbundenen
Konsequenzen aus. Der ,,Praktikant“ hat dann die Rechte
eines Arbeitnehmers in einer vergleichbaren Stellung, insbesondere
einem dementsprechenden Vergütungsanspruch.
Gesetzliche Vorschriften
In der Rechtsprechung und der Literatur besteht fast einhellige Übereinstimmung
darüber, dass das Praktikantenverhältnis unter § 19
Berufsbildungsgesetz (BBiG) fällt. § 19 BBiG ordnet
die Geltung der §§ 3 bis 18 BBiG an. Dies bedeutet,
dass gem. §3 II BBiG grundsätzlich die für den
Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze
anzuwenden sind, also das BUrlG, das BetrVG, das ArbGG, usw.
Ausnahmen bilden Schüler und Studenten, die im Rahmen
ihrer Schul-, Fachhochschul- bzw. Hochschulausbildung ein Praktikum
zu absolvieren haben. Für diese gilt nach herrschender
Meinung § 19 BBiG nicht.
a) Praktikanten ohne Studenten- oder Schülerstatus
Der Praktikantenvertrag wird abgeschlossen zwischen dem Praktikanten
und der Firma, in deren Betrieb das Praktikum stattfindet.
Es gelten die allgemeinen vertragsrechtlichen Vorschriften.
Ist der Praktikant noch minderjährig, erfolgt die Unterzeichnung
des
Praktikantenvertrages durch den gesetzlichen Vertreter. Die
Firma hat nach Abschluss des Vertrages den wesentlichen Inhalt
des Vertrages schriftlich (§ 4 I BBiG) niederzulegen.
Das Praktikantenverhältnis muss mit einer mindestens ein-
und höchstens dreimonatigen Probezeit (§ 13 BBiG)
begonnen werden.
Praktikantenverhältnisse werden befristet abgeschlossen
und enden ohne weiteres mit Ablauf der Praktikantenzeit (§ 14
I BBiG).Die Befristung hat bereits im Praktikantenvertrag zu
erfolgen (§ 41 Nr. 2 BBiG). Der Ablauf der Praktikantenzeit
ist wegen der Rechtsfolgen des § 17 BBiG (Fiktion des
Fortbestehens des Vertragsverhältnisses auf unbestimmte
Zeit!) streng zu beachten. Gegebenenfalls sollte rechtzeitig
eine ausdrückliche befristete Verlängerung erfolgen.
Nach der Probezeit kann das Vertragsverhältnis von Seiten
der Firma nur gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund
dafür vorliegt (§ 15 II Nr. 1 BBiG). Der Praktikant
hingegen kann mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen ordentlich
kündigen. Die Kündigung hat in jedem Fall schriftlich
unter Angabe der Kündigungsgründe zu erfolgen. Ein
Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger Beendigung des Praktikantenverhältnisses
nach der Probezeit besteht zu Gunsten der Firma nicht.
Die beiderseitigen Pflichten sind zum Teil im BBiG geregelt.
Die Pflichten des Praktikanten ergeben sich aus § 6 I
BBiG. Zu beachten ist, dass der Praktikant, sofern er noch
im berufsschulpflichtigen Alter ist, die Berufsschule besuchen
muss (§ 7 BBiG) und der Betrieb ihn gem. § 6 I Nr.
4 BBiG dazu sogar anzuhalten hat.
Dem Praktikanten steht gem. § 10 BBiG eine angemessene
Unterhaltsbeihilfe zu. Der Anspruch ist nach einhelliger Meinung
unabdingbar. Die Unterhaltsbeihilfe ist auch bei Krankheit
zu zahlen (§ 12 BBiG). .
Der Praktikant hat des weiteren einen Zeugnisanspruch (§ 8
BBiG, § 630 BGB) und zwar wahlweise auf Erstellung eines
einfachen oder qualifizierten Zeugnisses. Zu beachten ist,
dass der individuelle Ausbilder das Zeugnis mit unterschreiben
soll. Hat der Praktikant mehrere Abteilungen durchlaufen, so
genügt die Unterschrift desjenigen Ausbilders, der sich
vorwiegend mit dem Praktikanten beschäftigt hat.
Praktikanten sind verpflichtet, auch nach Beendigung des Praktikums
Dritten gegenüber Stillschweigen zu bewahren über
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sofern solche während
des Praktikums bekannt geworden sind. Es empfiehlt sich, diese
Verpflichtung auch ausdrücklich in den Praktikantenvertrag
aufzunehmen. Wegen § 5 BBiG in Verbindung mit § 19
BBiG besteht jedoch keine Möglichkeit, ein nachvertragliches
Wettbewerbsverbot zu vereinbaren.
b) Praktikanten ohne Studenten- oder Schülerstatus
Die Rechtsprechung geht wie bereits erwähnt davon aus,
dass das BBiG bei Studenten und Schülern, die im Rahmen
ihrer Schul-. Fachhochschul- bzw. Hochschulausbildung ein Praktikum
absolvieren, nicht anwendbar ist. Dementsprechend ist es üblich
auf einen schriftlichen Vertrag zu verzichten. Sollt es der
Unternehmer trotzdem für notwendig erachten einen schriftlichen
Vertrag zu statuieren, kann das Muster in modifizierter Form
genutzt werden.
Studenten und Schüler haben während eines Studienpraktikums
keinen Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe. Auch steht ihnen kein
Urlaubsanspruch zu, da ihre Freizeit zwischen den einzelnen
Semestern und Studienabschnitten, zu denen auch die Studienpraktika
gehören, anderweitig geregelt ist. Die betreffenden Klauseln
sollten daher aus dem Vertrag entfernt werden. Auch hinsichtlich
einer Kündigung kann nicht auf die gesetzliche Regelung
verwiesen werden. Es können aber die Regelungen des § 15
BBiG vertraglich vereinbart werden.
Sonstiges
Es ist zu beachten, dass Praktikantenverhältnisse außerhalb
der Schul-, Fachhochschul- bzw. Hochschulausbildung sozialversicherungspflichtig
sind. Um hier keine Fehler zu machen, sollte sich der Unternehmer
bei den zuständigen Sozialversicherungsträger erkundigen,
welche Beiträge im konkreten Fall zu entrichten sind.
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